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Die ENIAC-Programmiererinnen

Der ungeheure Rechenbedarf im 2. Weltkrieg war in den USA Anlass für den Bau des ersten elektronischen Universalrechners. Vor allem ballistische Tabellen, die bei der Einstellung der Geschossbahnen von Kugeln, Granaten und Raketen notwendig waren, mussten berechnet werden - eine Jahrhunderte alte Aufgabenstellung im Militär. Solche genau wie andere wirtschaftsbezogene Rechenarbeit wurde bis zum 2. Weltkrieg sehr arbeitsteilig durchgeführt: menschliche Rechnerinnen und Rechner (im Englischen "computer" genannt) benutzten neben Papier und Bleistift hierzu diverse spezielle Rechenmaschinen.

Die U.S. Army hatte bereits Anfang der 40er Jahre MathematikerInnen und Naturwissenschaftlerinnen auf ihrem Forschungsgelände in Aberdeen (Maryland) zusammengezogen. Bei Kriegseintritt der USA wurden ab 1942 für Rechenarbeiten systematisch Frauen mit College-Abschlüssen vorzugsweise in Mathematik geworben. Im Sommer 1945 arbeiteten ca. 80 Frauen als Computer auf dem Ballistic Research Laboratory, auch ihre Vorgesetzten waren überwiegend Frauen.

Im nahe gelegenen Philadelphia hatte die Army zugleich ein Großrechnerprojekt namens ENIAC finanziert, dessen Ergebnis nach zweijähriger Bauzeit im Sommer 1945 einsatzbereit war. Der Rechenkoloss war so konzipiert, dass die Daten per Lochkarten eingelesen wurden, die Rechenfunktionen mussten per Kabelverbindungen gesteckt werden und die Ausgabe erfolgte wiederum auf Lochkarten. Zum ersten Betriebspersonal gehörten neben einigen MathematikerInnen sechs speziell ausgewählte Rechnerinnen aus Aberdeen:

  • Kathleen (Kay) McNulty (Mauchly Antonelli) (1921-)
  • Frances Bilas (Spence) (1922-)
  • Elizabeth (Betty) Jean Jennings (Bartik) (1924-)
  • Frances Elizabeth (Betty) Snyder (Holberton) (1917-2001)
  • Ruth Lichterman (Teitelbaum)
  • Marilyn Wescoff (Meltzer)

  • Sie waren in Aberdeen an unterschiedlichen Rechenmaschinen und in Leitungsfunktionen beschäftigt gewesen. Die Frauen erhielten spezielle Einführungskurse in den gesamten Aufbau des ENIAC sowie in den Umgang mit den IBM-Lochkartengeräten zur Ein/Ausgabe. Weiterhin lernten sie eine Blockdiagrammschreibweise kennen, in der die jeweiligen Programme beschrieben werden sollten. Da es keinerlei Handbücher gab, mussten sie Schaltpläne der Anlage lesen. Ihre Programmierdozenten waren die ENIAC-Entwickler selbst: u.a. Herman Goldstine, John Holberton, Harry Huskey, John Mauchley und Presper Eckert. Im November 1945 startete für alle der erste Praxistest: eine Berechnung für das Manhattan-Projekt zum Bau von Wasserstoffbomben. Hierzu kamen Physiker aus Los Alamos, die Berechnungen mit ENIAC durchführten. Nach Beendigung dieses Tests wurde ENIAC im Februar 1946 der Öffentlichkeit vorgestellt. Bis dahin unterlag das Projekt wie später auch viele der durchgeführten Arbeiten militärischer Geheimhaltung.

    Es sollte nur der Anfang einer intensiven Zusammenarbeit mit (teils heute noch berühmten) ForscherInnen sein. Diese Forschungsgäste mussten nach kurzer Einweisung ihre Aufgabenstellungen zusammen mit den Programmiererinnen in Blockschemata umsetzen. Danach wurde die Schalter und Verbindungskabel im ENIAC entsprechend umgesteckt. Es waren äußerst anstrengende und teilweise hektische Arbeitstage, die bis tief in die Nacht dauerten, denn die Anlage war bald monatelang im voraus vermietet und alles musste auf Anhieb klappen.

    An der Programmierung beteiligten sich noch zwei andere Frauen intensiv: die Mathematikerin Adele Goldstine sowie Klare von Neumann (Ehefrauen vom Projektleiter Herman Goldstine und vom Mathematiker John von Neumann, der an der Universität von Philadelphia lehrte und seit 1944 beratend in das ENIAC-Projekt involviert war). Adele Goldstine war die alleinige Autorin der umfangreichen "Technischen Beschreibung des ENIAC", die im Juni 1946 in zwei Bänden erschien.

    1947 wurde der ENIAC-Rechner auf das Militärgelände nach Aberdeen umgesetzt, Marilyn Wescof und Elizabeth Jean Jennings (später Jean Bartik) zogen nicht mit um. Auch Betty Snyder beendete kurz danach ihre Arbeit am ENIAC. Sie wechselte wie zuvor schon Jean Bartik zur neu gegründeten Firma Eckert Mauchly Computer Corporation, wo sie beide in der Softwareentwicklung berühmt wurden. Betty Snyder heiratete 1950 John Holberton. Kathleen McNulty verließ Aberdeen 1948 und heiratete John Mauchly. Sie forschte in den folgenden Jahren mit ihm weiter in der Computertechnik. Frances Bilas und Ruth Lichterman heirateten 1947 bzw. 1948 ENIAC-Ingenieure und wurden Hausfrauen.

    Mit dem Wechsel nach Aberdeen übernahm ein neues Programmierteam die Arbeit am ENIAC, die noch weitere acht Jahre dauerte. Es bestand etwa zur Hälfte aus Männern und Frauen; letztere waren Gloria Gordon Bolotsky, Lila Todd Butler, Ester Gersten, Winifred Smith Jones, Marie Malone, Helen Mark und Homé McAllister Reitwiesner. In dieser Zeit waren weiterhin eine Reihe von Frauen im Ballistic Research Laboratory beschäftigt und viele blieben später im Computerbereich tätig. In Aberdeen erhielten die Programmiererinnen mit akademischen Abschlüssen erstmals ein entsprechendes Gehalt. Während ihrer Tätigkeit als "Computer" und als ENIAC-Programmiererinnen waren alle Frauen (ob mit Hochschulabschluss oder sogar mit Promotion) als "angelernt" eingestuft worden und entsprechend niedrig entlohnt. Farbige Frauen wurden nicht beschäftigt.

    Eine bekannte Chronistin des ENIAC-Projekts soll hier ebenfalls erwähnt werden: Alice Rowe Burks verfasste zahlreiche historische Texte über das Projekt und allgemein über die frühe Computergeschichte. Sie war selbst Augenzeugin gewesen, gehörte sie doch während des Kriegs zu den als "Computer" in Aberdeen beschäftigten Mathematikerinnen. Anschließend heiratete sie Arthur Burks, einen der ENIAC-Entwickler und einflussreichen Computerwissenschaftler der folgenden Jahrzehnte. Sie studierte später Psychologie und wurde Schriftstellerin.